Die Wirkungen der meisten Arzneistoffe werden durch die Struktureigenschaften des jeweiligen Medikaments bestimmt. Man spricht in diesem Fall von strukturspezifischen Wirkungen. Zu den wenigen Arzneistoffen, deren Wirkung nicht von der Struktur bestimmt wird (strukturunspezifische Wirkungen), gehören Narkosegase und Desinfektionsmittel. Die strukturspezifischen Wirkmechanismen lassen sich einteilen in:

Wirkung an Rezeptoren (←)

Rezeptoren sind komplexe Moleküle an der Oberfläche oder im Inneren einer Zelle. Sobald sich das passende Signalmolekül (der Agonist) an die Bindungsstelle des Rezeptors anlagert, löst dieser ein Signal aus, das eine Reaktion der Zelle zur Folge hat (siehe Abb. 2.2.1.1). Rezeptor und Agonist passen wie Schlüssel und Schloss zusammen.

Beispiel: Bei akuter Bedrohung schüttet der Körper viel Adrenalin aus. Adrenalin ist ein Signalmolekül. Die passenden Rezeptoren dazu sind die Alpha- und Betarezeptoren, die u. a. an Blutgefäßen und im Herzen zu finden sind. Dockt ein Adrenalinmolekül an den Betarezeptoren der Herzmuskelzellen an, reagiert das Herz, indem es schneller und kräftiger schlägt. Auf diese Weise werden die Muskeln stärker durchblutet, sodass der bedrohte Organismus sich besser wehren oder die Flucht ergreifen kann.

An einem Rezeptor sind grundsätzlich zwei Wirkungen möglich: Ein Arzneistoff stimuliert oder blockiert den Rezeptor. Ein Wirkstoff, der den Rezeptor stimuliert (wie das körpereigene Adrenalin im obigen Beispiel), wird als Agonist (Handelnder) bezeichnet, gelegentlich auch als Mimetikum (Nachahmender). Arzneistoffe, die einen Rezeptor blockieren (man spricht auch von besetzen), werden als Blocker oder Antagonisten (Gegenspieler) bezeichnet. Sie binden an den Rezeptor, lösen aber kein Signal aus (untere Reihe in Abb. 2.2.1.1). Ihre Wirkung besteht darin, dass sie z. B. Rezeptoren für Adrenalin blockieren und dadurch dessen Wirkung abschwächen.

Rezeptor-Bindung
Abbildung 2.2.1.1: Bindung eines Agonisten (gelb) und eines Antagonisten (rot) an den Rezeptor einer Zelle. Der Agonist löst das für den Rezeptor charakteristische Signal aus und die Zelle reagiert (obere Reihe). Der Antagonist (= Rezeptorblocker) bindet ebenfalls an den Rezeptor, löst aber kein Signal aus und blockiert ihn für Agonisten (untere Reihe).

Hemmen (oder selten: Aktivieren) von körpereigenen Enzymen (←)

Enzyme beschleunigen Stoffwechselschritte, die auch spontatn ablaufen. Wichtig für die Regulation des Herz-Kreislauf-Systems ist das Angiotensin-Converting-Enzyme (ACE). Nimmt man einen ACE-Hemmer ein, wird weniger Angiotensin I zu Angiotensin II umgewandelt (→ Abb. 11.1.2.3.1). Eine der Folgen: Der Blutdruck sinkt. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) hemmen das Enzym Zyklooxygenase, das einen wesentlichen Schritt in der Synthese von Prostaglandinen bewerkstelligt. Folglich wird die Synthese dieser entzündungsfördernden Botenstoffe gedrosselt.

Hemmen von Stoffwechselschritten in Mikroorganismen

Dies ist das Wirkprinzip der meisten Antibiotika. Betalaktamantibiotika (Penicillin und seine Verwandten) hemmen z. B. die Zellwandsynthese in Bakterien, wodurch diese letztlich zerstört werden.

Beeinflussen von Transportsystemen

Diuretika hemmen je nach Substanzgruppe verschiedene Ionentransporter (z. B. für Natrium- und/oder Kaliumionen) und erhöhen dadurch die Ausscheidung von Urin. Protonenpumpenhemmer verringern die Säurebildung im Magen, indem sie den energieabhängigen Austausch von Wasserstoffionen (H+ = „Protonen“) gegen Kaliumionen (K+) hemmen.

Beeinflussen von Ionenkanälen

Kalziumantagonisten blockieren den Einstrom von Kalzium in bestimmte Zellen. Glatte Gefäßmuskelzellen erschlaffen daher, sodass der Blutdruck sinkt. Außerdem schützen diese Wirkstoffe Zellen vor einer gefährlichen Kalziumüberladung.