Wenn man eine Tablette geschluckt hat, löst sie sich je nach Galenik im Magen, im Zwölffingerdarm oder auch erst später auf. Mit der Auflösung beginnt die Freisetzung (→ 2.1.1) des Wirkstoffs. Gleichzeitig setzt die Resorption ein, durch die ein Wirkstoff in die Blutbahn gelangt.

Sobald der Blutspiegel die minimale Wirkkonzentration (gepunktete Linie in Abb. 2.1.2.1.1) überstiegen hat, setzt die Wirkung ein. Manche Medikamente fluten schnell an, d. h. sie erreichen schon wenige Minuten nach Einnahme als Tablette wirksame Blutspiegel. Es gibt aber auch Mittel, die erst nach Stunden zu wirken beginnen.

Die Wirkungsdauer entspricht der Zeitspanne, in der die minimale Wirkkonzentration überschritten wird. Die höchste Konzentration, die ein Medikament nach der Einnahme erreicht, ist die Maximalkonzentration (Cmax, ←). Die Zeitspanne, die bis zum Erreichen der höchsten Konzentration vergeht, wird als Tmax (←) bezeichnet. Sie beträgt z. B. für eine normale Tablette des Schmerzmittels Ibuprofen 1 bis 2 Stunden.

Rascher als aus einer normalen Tablette gelangt ein Wirkstoff nach subkutaner, intramuskulärer und – am schnellsten – nach intravenöser Injektion in die Blutbahn. Den Vergleich mit der Aufnahme als Tablette zeigt Abbildung 2.1.2.1.2.

Wie schnell ein Arzneimittel nach der Freisetzung aus einer Tablette im Darm resorbiert wird, hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Eigenschaften des Wirkstoffs.
  • Gleichzeitig im Darm anwesende Nahrungsbestandteile: Alkohol kann die Aufnahme mancher Wirkstoffe beschleunigen. Nahrung kann je nach Wirkstoff sowohl die aufgenommene Menge als auch die Geschwindigkeit der Resorption erhöhen oder auch verringern. Aus diesen Gründen müssen die Einnahmehinweise immer beachtet werden, z. B. Einnahme vor, zu oder nach einer Mahlzeit oder keine Einnahme zusammen mit Alkohol.
  • Gegenwart von Kalzium, Magnesium und Eisen: Manche Arzneimittel (insbesondere Antibiotika aus der Gruppe der Tetrazykline, (→ 22.4) bilden in Gegenwart von Kalzium (z. B. Milch, Käse) sowie Magnesium oder Eisen (z. B. aus anderen Medikamenten oder Nahrungsergänzungsmitteln) schwer lösliche Komplexe und werden nicht resorbiert. In diesen Fällen muss ein Mindestabstand eingehalten werden (z. B. 2 Stunden).
  • Patientenbezogene Faktoren: Im Alter werden manche Arzneimittel schlechter aufgenommen. Auch Medikamente/Erkrankungen, die mit einer beschleunigten Magen-Darm-Passage einhergehen, können die Aufnahme von Arzneistoffen mindern. Bekanntes Beispiel: Ungenügende Resorption der „Minipille“ bei Durchfall mit der Folge von „Pillenversagen“.

First pass, First-pass-Effekt

Das gesamte venöse Blut aus dem Magen-Darm-Trakt (mit Ausnahme der Speiseröhre und des Enddarms) sammelt sich in der Pfortader. Das Pfortaderblut durchströmt die Leber und mündet danach in die untere Hohlvene.

Die biologische Bedeutung des Pfortaderkreislaufs liegt darin, dass alles, was im Magen-Darm-Trakt aufgenommen wird, zuerst die Leber passiert. Dieser First pass (erste Passage) dient dazu, dass mit der Nahrung aufgenommene schädliche Verbindungen von der Leber entgiftet werden können, bevor sie in den großen Kreislauf gelangen können.

Im Fall von Arzneimitteln, die im Magen-Darm-Trakt resorbiert werden, kann die erste Leberpassage zur Folge haben, dass ein Teil einer eingenommen Arzneimitteldosis verstoffwechselt worden ist, bevor sie im Körper wirken kann. Dies wird als First-pass-Effekt bezeichnet.

Verlauf der Plasmakonzentration
Abbildung 2.1.2.1.1: Verlauf der Plasmakonzentration eines typischen Medikaments nach einmaliger Einnahme als Tablette.
Verlauf des Plasmaspiegels
Abbildung 2.1.2.1.2: Typischer Verlauf des Plasmaspiegels eines Wirkstoffs bei unterschiedlichen Applikationswegen.

In den Dosierungsangaben ist der First-pass-Effekt bereits berücksichtig. Bei Patienten mit Leberfunktionsstörungen kann der First-pass-Effekt verringert sein. In diesen Fällen muss die Dosis verringert werden.

Einige Medikamente werden bei der ersten Leberpassage zu fast 100 % verstoffwechselt. Sie können daher nicht über den Magen-Darm-Trakt zugeführt werden, sondern müssen parenteral (←, am Darm vorbei) verabreicht werden.

Als „parenteral“ gelten im Sinn des Europäischen Arzneibuchs alle Zubereitungen, die zur Injektion, Infusion oder Implantation in den Körper bestimmt sind. Fasst man den Begriff weiter, fallen unter parenteral auch:

  • bukkale (Wangenschleimhaut), sublinguale (Schleimhaut unter der Zunge) und intranasale (Nasenschleimhaut) Gabe sowie Einbringen in den Bindehautsack am Auge (konjunktivale Anwendung),
  • Inhalation,
  • topische (örtliche) Anwendung auf Haut und Schleimhäuten,
  • systemische (den ganzen Körper betreffende) Behandlung über transdermale therapeutische Systeme.
  • Obwohl Zäpfchen in den Mastdarm (d. h. enteral) eingebracht werden, umgehen sie wie die parenteralen Anwendungen den First-pass-Effekt, weil das Blut aus dem Mastdarm nicht den Weg über die Pfortader und damit die Leber nimmt.
Sonderfall Prodrugs

Prodrugs (←)sind Arzneimittel, die als inative Vorstufe verabreicht werden und erst wirken, nachdem sie im Körper in die aktive Form umgewandelt worden sind. Die Aktivierung kann in der Leber erfolgen, aber auch an vielen anderen Stellen des Körpers. Ein Beispiel ist das Parkinsonmittel Levodopa. Wirksam im Gehirn ist Dopamin, aber Dopamin kann im Gegensatz zu Levodopa die Blut-Hirn-Schranke (←; → 2.1.3) nicht überwinden. Man verabreicht daher das Prodrug Levodopa, das nach Passage der Blut-Hirn-Schranke zum wirksamen Dopamin umgewandelt wird.

Bioverfügbarkeit (←)

Dieser Begriff beschreibt, welcher wirksame Anteil der zugeführten Dosis eines Arzneimittels im großen Kreislauf ankommt. Bei intravenöser Gabe beträgt die Bioverfügbarkeit immer 100 %. Nach oraler Einnahme hängt die Bioverfügbarkeit davon ab, wie gut der Wirkstoff im Darm resorbiert und welcher Anteil bei der ersten Leberpassage (First-pass-Effekt) verstoffwechselt wird. Ein Beispiel: Nimmt der Darm von einer 100-mg-Dosis nur 70 mg auf und baut die Leber von diesen 70 mg etwa die Hälfte (= 35 mg) bei der ersten Leberpassage ab, gelangen 35 mg in den großen Kreislauf. Die Bioverfügbarkeit beträgt somit 35 %.