Die Spannweite der Geschwindigkeit, mit der Wirkstoffe freigesetzt und aufgenommen werden können, ist sehr groß. Sie reicht von der innerhalb weniger Sekunden einsetzenden Wirkung einer intravenösen Injektion für die Narkoseeinleitung bis zur mehrere Monate anhaltenden Wirkstoffabgabe aus einem implantierten Depot, z. B. aus der 3-Monats-Spritze zur Empfängnisverhütung.

Für die folgende Übersicht werden Medikamente in 3 Gruppen eingeteilt:

  1. sehr schnell (Sekunden bis wenige Minuten) freigesetzte und aufgenommene,
  2. sehr langsam (über mehrere Tage bis zu mehreren Wochen/Monaten) freigesetzte und aufgenommene,
  3. alle dazwischenliegenden Medikamente.

 

  1. Eine intravenöse Injektion wirkt am schnellsten. Sie kann aber nur von einem Arzt/einer Ärztin verabreicht werden. Für Situationen, in denen geschulte Patienten sich selbst ein sehr schnell wirksames Medikament verabreichen können sollen, wurden daher spezielle Zubereitungen entwickelt.

    Beispiele:

    • die sublinguale (über die Schleimhaut unter der Zunge), bukkale (über die Wangenschleimhaut) oder intranasale (über die Nasenschleimhaut) Aufnahme von Wirkstoffen, z. B. eines Opioids (→ 10.5) bei Durchbruchschmerzen (→ 10.7);
    • die intramuskuläre Selbstinjektion von Adrenalin (Adrenalin-Pen) durch Menschen mit lebensgefährlichen Allergien, z. B. nach einem Bienenstich.
  2. Wenn eine sichere und dauerhafte Versorgung mit einem Wirkstoff über mehrere Tage, Wochen oder Monate gewährleistet sein muss, werden Depotinjektionen verabreicht oder transdermale therapeutische Systeme (TTS) auf die Haut geklebt.

    Beispiele:

    • 1 bis 4 Wochen wirksame intramuskuläre Depotneuroleptika für Patienten mit Schizophrenie (Kapitel 14.2);
    • TTS (Abb. 1.8.1) zur Basistherapie von Tumorschmerzen, das ein stark wirksames Opioid gleichmäßig über mehrere Tage abgibt;
    • über mehrere Monate wirksame Gestagenspritze als Implantat zur sicheren Empfängnisverhütung.
  3. Hierzu gehören alle gängigen Zubereitungsformen von Tabletten, Dragees oder Kapseln. Je nach Zubereitungsform (Galenik ←) werden Wirkstoffe innerhalb kurzer Zeit (z. B. 15 Minuten) oder langsam über mehrere Stunden (z. B. 12 Stunden) freigesetzt. Tabletten, die den Wirkstoff langsam freisetzen, werden als Retard-, gelegentlich auch als Oblongtabletten bezeichnet. Retardiert bedeutet „verlangsamt“.

    Beispiele:

    • Retardtabletten mit dem Schmerzmittel Ibuprofen ermöglichen Einnahmeabstände von 8 bis 12 Stunden (= 2- bis 3-mal täglich) statt alle 4 Stunden (nicht retardiert);
    • Retardtabletten eines Wirkstoffs zur Vorbeugung epileptischer Anfälle, die bei 1 oder 2-mal täglicher Einnahme gleichmäßige Plasmaspiegel ermöglichen.
Transdermales therapeutisches System (TTS)
Abbildung 1.8.1: Schematische Darstellung der Freisetzung und Resorption eines Wirkstoffs aus einem transdermalen therapeutischen System (TTS); links ein Reservoir-, rechts ein Matrixpflaster.