Oft werden pflanzliche Arzneimittel (Phytopharmaka ←) fälschlicherweise mit homöopathischen Präparaten gleichgesetzt. Dass ein Wirkstoff aus einer Pflanze stammt, sagt aber nichts über das Prinzip aus, dem seine Anwendung folgt. Ein Beispiel dafür sind standardisierte Extrakte aus Johanniskraut, die im Sinne der evidenzbasierten Medizin (→ 1.1) gegen leichte und mittelschwere depressive Episoden angewendet werden.

Der größte Teil der zurzeit gebräuchlichen Medikamente wird synthetisch hergestellt. Die Wirkung, z. B. die Bindung an einen Rezeptor (→ 2.2), wird meistens nur von einem bestimmten Teil des Moleküls vermittelt. Die anderen Teile bestimmen z. B. die Löslichkeit in Wasser oder Fett, den Ausscheidungsweg und die Verweildauer im Körper (→ 2.1).

Viele in der modernen Medizin eingesetzte Medikamente haben als Grundlage einen aus Pflanzen oder Tieren gewonnen Wirkstoff, der chemisch verändert wurde und heute meistens komplett synthetisch hergestellt wird:

  • Bekanntes Beispiel für einen Wirkstoff mit pflanzlichem Ursprung ist Acetylsalicylsäure (ASS, „Aspirin“, → 10.4.1). Salicylsäure wird seit Jahrhunderten aus Weidenrinde gewonnen. Sie lindert Schmerzen und Fieber. Ende des 19. Jahrhunderts gelang es, die Wirksamkeit und Verträglichkeit durch chemische Veränderung des Moleküls zur Acetylsalicylsäure erheblich zu steigern.
  • ACE-Hemmer (→ 11.1.2.3) haben als Vorbild das Gift einer brasilianischen Schlange (Abb. 1.2.1). Dieser Wirkstoff hemmt u. a. das körpereigene Angiotensin-Converting-Enzyme (ACE, → 11.1.2.3). Die Namen aller ACE-Hemmer enden auf die Silbe „pril“.
Jararaca-Lanzenotter
Abbildung 1.2.1: Brasilianische Jararaca-Lanzenotter, deren Gift beim Menschen ein wichtiges Enzym („ACE“) hemmt.

Daneben gibt es Arzneimittel, die direkt aus tierischen Organen stammen, beispielsweise Verdauungsenzyme. Insulin wurde lange Zeit aus der Bauchspeicheldrüse von Schwein oder Rind gewonnen, bevor menschliches Insulin, das mithilfe der Biotechnologie hergestellt wird, verfügbar wurde. Heute wird bei uns ausschließlich Humaninsulin aus biotechnologischer Produktion verwendet.

Biologika

Die Zahl von Hormonen, Enzymen, Wachstumsfaktoren, Gerinnungsfaktoren, Antikörpern, Impfstoffen usw. aus biotechnologischer Produktion wächst schnell. Diese Arzneimittel werden mithilfe von genetisch veränderten Organismen hergestellt und als Biologika zusammengefasst. Gebräuchlich sind auch die Bezeichnungen Biopharmazeutika und Biologicals.

Das Prinzip der Herstellung besteht darin, dass man die Erbinformation (DNS/RNS), die z. B. in den Inselzellen der menschlichen Bauchspeicheldrüse die Synthese von Insulin steuert, auf geeignete Wirtszellen überträgt. Die Wirtszellen (Mikroorganismen oder Zellkulturen) stellen dann nach diesem Bauplan menschliches Insulin her.

Eine wichtige Gruppe innerhalb der Biologika sind monoklonale Antikörper. Monoklonal bedeutet, dass sie auf einen einzigen B-Lymphozyten zurückgehen und daher hochspezifisch gegen eine einzige antigene Struktur („Epitop“) gerichtet sind. Nach diesem Prinzip gibt es bereits mehrere Dutzend monoklonale Antikörper, die zum Teil noch in klinischer Erprobung sind. Einige richten sich gegen Tumorantigene (z. B. das Brustkrebsantigen HER2/neu) und werden in der Diagnostik und Therapie bestimmter Tumoren eingesetzt.

Mehrere bereits zugelassene monoklonale Antikörper zielen auf den Tumor-Nekrose-Faktor-α (TNF-α). Dieser Signalstoff ist an zahlreichen Entzündungen beteiligt. Wird er durch Antikörper ausgeschaltet, lassen sich Entzündungen stark zurückdrängen, z. B. bei rheumatoider Arthritis, Morbus Bechterew, Psoriasis, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Die Namen dieser Antikörper enden auf – ximab oder -umab.