Hat ein Patient bereits einen Herzinfarkt erlitten, gelten die gleichen Empfehlungen für Medikamente zur Sekundärprävention wie im vorigen Abschnitt beschrieben. Ausnahmen:

  • Ein Betablocker wird für alle Patienten empfohlen, auch wenn bei ihnen weder Hypertonie noch Zeichen einer Herzinsuffizienz bestehen oder Angina-Pectoris-Anfälle auftreten.
  • Unabhängig vom Cholesterinwert wird für alle Patienten nach Infarkt ein Statin empfohlen.

Statine (HMG-CoA-Reduktasehemmer, CSE-Hemmer)

Die Höhe des Cholesterinspiegels wird nicht nur von der Aufnahme mit der Nahrung, sondern auch von der Produktion im Körper bestimmt. Durch Hemmen eines Enzyms, das eine wichtige Funktion in der körpereigenen Cholesterinsynthese hat, kann die Bildung von Cholesterin stark gedrosselt werden. Das Enzym wird als HMG-CoA-Reduktase bezeichnet. Medikamente, die es hemmen, heißen folglich „HMG-CoA-Reduktasehemmer“. Auch die Bezeichnung „Cholesterinsyntheseenzym-Hemmer“ (CSE-Hemmer) ist weit verbreitet. Da die Namen aller Vertreter dieser Gruppe auf „statin“ enden, spricht man meistens von Statinen.

Folgende Statine sind derzeit erhältlich: Atorvastatin, Fluvastatin, Lovastatin, Pravastatin, Rosuvastatin und Simvastatin.

Eigenschaften: Der Wirkmechanismus ist bei allen Statinen gleich. Sie senken das Cholesterin abhängig von der Dosis um 20 bis rund 50 %. Die dafür nötigen Dosen unterscheiden sich aber für die einzelnen Statine deutlich.

Erhebliche Unterschiede bestehen auch in den pharmakokinetischen Eigenschaften. Die Eliminationshalbwertszeit liegt zwischen rund 2 Stunden (Lovastatin, Simvastatin, Pravastatin und Fluvastatin) und 14 Stunden für Atorvastatin sowie 19 Stunden für Rosuvastatin. Auch beim Potenzial für Wechselwirkungen gibt es erhebliche Unterschiede (siehe unten).

Studien über Statine haben gezeigt, dass der Nutzen dieser Wirkstoffe in der Primär- und Sekundärprävention nicht eindeutig von der erzielten Cholesterinsenkung abhängt. Man leitete daraus ab, dass Statine über die Cholesterinsenkung hinaus günstige Wirkungen aufweisen. Diese werden als pleiotrop (= auf mehrere Ziele gerichtet) bezeichnet. Eine wichtige Rolle spielt die Stabilisierung von Plaques, sodass das Risiko des Einreißens und damit die Infarktgefahr sinken (→ 11.3.1, Abb. 11.3.1.3).

Aus dieser Beobachtung leiten sich zwei Konsequenzen ab:

  • Patienten nach Herzinfarkt sollen unabhängig davon, ob das Cholesterin bei ihnen erhöht ist, ein Statin einnehmen (siehe oben).
  • Es ist heute umstritten, ob die Dosis für ein Statin so lange erhöht werden muss, bis das Cholesterin unter einen bestimmten Zielwert sinkt.

Nebenwirkungen: Statine werden im Allgemeinen gut vertragen. Gelegentlich treten Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Müdigkeit und Schlafstörungen auf. Ferner werden Anstiege von Leberenzymen (Transaminasen) und Bilirubin beobachtet.

Eine Nebenwirkung, die nicht selten zum Absetzen zwingt, sind Muskelschmerzen. Die Patienten sollten regelmäßig danach gefragt werden. Geben sie Muskelschmerzen an, sollte die Kreatinkinase (CK) bestimmt werden. Ist sie über das 10-Fache des oberen Normwerts erhöht, ist das Statin abzusetzen, bei starken Muskelschmerzen auch schon beim Überschreiten des 5-Fachen. Andernfalls sind schwere Muskelschäden durch Rhabdomyolyse (Auflösen von quergestreiften Muskeln) möglich, insbesondere bei Überdosierung. Das ins Blut gelangende Myoglobin kann die Nieren schädigen.

Kontraindikationen: Lebererkrankungen, Myopathien, Schwangerschaft und Stillzeit.

Anwendung: Die kurzwirksamen Statine (Lovastatin, Simvastatin, Pravastatin und Fluvastatin) sollten abends genommen werden, weil der Körper Cholesterin vorwiegend nachts bildet. Für die beiden anderen (langwirksamen) Statine spielt die Einnahmezeit keine Rolle.

Wechselwirkungen: Für die einzelnen Statine sind unterschiedlich viele Wechselwirkungen beobachtet worden. Einige häufige werden nachfolgend beschrieben.

Statine können die Wirkung von Antikoagulanzien vom Cumarintyp (→ 11.4.1) verstärken.

Atorvastatin und Simvastatin werden von mehreren CYP-Enzymen abgebaut. Atorvastatin sollte nach Möglichkeit nicht mit Ciclosporin, Telithromycin, Clarithromycin, Delavirdin, Stiripentol, Azol-Antimykotika (u. a. Ketoconazol, Itraconazol) und bestimmten HIV-Proteaseinhibitoren kombiniert werden. Eine Kombination von Simvastatin mit Azol-Antimykotika (u. a. Ketoconazol, Itraconazol) und bestimmten HIV-Proteaseinhibitoren, Erythromycin, Clarithromycin, Telithromycin, Nefazodon und Arzneimitteln, die Cobicistat enthalten, sowie Gemfibrozil, Ciclosporin und Danazol ist kontraindiziert. Grapefruitsaft meiden.

Vorsicht geboten ist allgemein bei Kombination von Statinen mit u. a. Ciclosporin, Amiodaron, Verapamil und Fibraten (teilweise starker Anstieg der Statinspiegel mit Gefahr der Muskelschädigung).

Andere Cholesterinsenker

Für die Behandlung der Hypercholesterinämie gibt es weitere Wirkprinzipien: die Hemmung der Resorption im Darm (Ezetimib), das Binden von Gallensäuren im Darm (Colestyramin), Fibrate (Bezafibrat, Fenofibrat, Gemfibrozil) und Nicotinsäure. Auf diese Medikamente kann ausgewichen werden, wenn Statine kontraindiziert sind.