Eigenschaften: Opioide sind je nach Wirkstärke die Medikamente der Stufe II oder III des WHO-Schemas. Sie setzen an denselben Rezeptoren an wie die körpereigenen morphinähnlichen Substanzen, die Endorphine. Endorphin ist ein Kunstwort, das aus endogene Morphine gebildet wurde.

Es gibt im Wesentlichen drei Typen von Opioidrezeptoren: µ, κ und δ. Über diese werden die erwünschte Schmerzlinderung ebenso vermittelt wie die in den meisten Fällen unerwünschte Atemdepression und Obstipation. Opioidrezeptoren kommen zentral (d. h. in Gehirn und Rückenmark) und in der Peripherie (z. B. im Darm) vor. An die Opioidrezeptoren binden die körpereigenen (= endogenen) und die als Medikamente zugeführten Opioide.

  • Opioide der Stufe II (= mittelstark wirksam):
    Codein, Dihydrocodein, Tilidin und Tramadol. Tilidin ist nur in fester Kombination mit dem Morphinantagonisten Naloxon (siehe unten) im Handel, um das Missbrauchspotenzial zu verringern.
  • Opioide der Stufe III (= stark wirksam):
    Standardsubstanz ist hier Morphin. Es kann oral und parenteral (i. v., s. c., epidural) verabreicht werden. Die Wirkstärke der anderen Opioide wird auf Morphin bezogen und als Faktor angegeben, z. B. 10 (d. h. 10-mal stärker wirksam als Morphin). Folgende stark wirksame Opioide gibt es derzeit (in Klammern dahinter jeweils die Wirkstärke relativ zu Morphin): Oxycodon (2), Hydromorphon (7,5), Levomethadon (4), Tapentadol (0,3–0,6), Pethidin (0,1–0,2), Buprenorphin (30–40) und Fentanyl (120). Daneben existieren weitere Opoide (z. B. Nalbuphin), die in speziellen Indikationen verwendet werden, z. B. zur postoperativen Analgesie.

Naloxon wirkt an allen Opioidrezeptoren als reiner Antagonist und hebt die Opioidwirkungen auf. Es wird bei Überdosierung von Opioiden eingesetzt.

Indikationen: Indiziert sind Opioide bei starken und sehr starken Schmerzen während und nach Operationen sowie bei Tumoren. Bei Herzinfarkt wird auch die beruhigende Wirkung genutzt.

Seit einiger Zeit werden Opioide zunehmend auch bei nicht durch Tumoren bedingten schweren Schmerzen eingesetzt, z. B. chronische Rückenschmerzen, Arthrose und rheumatoide Arthritis (RA). Dies gilt vor allem, wenn NSAR nicht vertragen oder kontraindiziert sind. Der Nutzen in dieser Indikation wird zunehmend angezweifelt.

Wirkungen/Nebenwirkungen: Erwünschte und unerwünschte Wirkungen sind bei Opioiden kaum trennbar. Einige Nebenwirkungen lassen mit der Dauer der Anwendung nach (z. B. Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit), andere nehmen zu (z. B. Verstopfung). Die Atemdepression ist in den meisten Fällen unerwünscht, in der Palliativmedizin und bei akutem Lungenödem nutzt man den Effekt aber bei Patienten, die unter Atemnotanfällen leiden. Opioide durchbrechen den Teufelskreis aus Atemnot – Angst – Verschlimmerung der Atemnot. Das Risiko einer Atemdepression ist bei Patienten mit starken Schmerzen geringer.

Zentrale Wirkungen: schmerzlindernd, beruhigend, euphorisierend (selten Dysphorie), hustenhemmend, atemdepressiv, Erbrechen auslösend (nur zu Beginn), Pupillen verengend und vermindernd auf die Wasserausscheidung. Bei längerer Anwendung entwickelt sich Toleranz, sodass die Dosis meist gesteigert werden muss. Abhängigkeit entsteht vorwiegend bei missbräuchlicher, kaum aber bei korrekter Anwendung (nach Zeitplan, nicht nach Bedarf) in der Schmerztherapie.

Zu den peripheren Wirkungen gehören: Schmerzlinderung, Obstipation (vor allem nach mehrtägiger Anwendung), Harnverhalt (Folge des gesteigerten Tonus des Blasenschließmuskels), Blutdruckabfall (insbesondere beim Aufstehen, = orthostatische Regulationsstörung) sowie aufgrund von Histaminfreisetzung Juckreiz, Hautrötung und Bronchospasmus (vorwiegend bei Asthmapatienten).

Den Nebenwirkungen zuvorkommen

Unter stark wirksamen Opioiden treten die Nebenwirkungen Übelkeit/Erbrechen und Verstopfung fast immer auf. Die Patienten sollten daher von Anfang an Antiemetika (17.5) und Laxanzien (17.3) bekommen. Die Antiemetika sind meistens nach etwa 7 bis 10 Tagen nicht mehr nötig, während die Verstopfung mit der Dauer der Behandlung stärker wird und weiter konsequent behandelt werden muss.

Kontraindikationen: Nicht gegeben werden dürfen Opioide u. a., wenn eine Dämpfung des Atemzentrums vermieden werden muss, bei Darmverschluss und akutem Abdomen. Vorsicht ist geboten bei Prostatahyperplasie mit Restharnbildung, niedrigem Blutdruck, Epilepsie, Gallenwegserkrankungen und Pankreatitis.

Tilidin gibt es nur in fixer Kombination mit dem Opioidantagonisten Naloxon, um die Missbrauchsgefahr zu begrenzen. Es ist bei Leberinsuffizienz kontraindiziert.

Dosierung: Die Dosis wird individuell an Intensität, Charakteristik und Dauer der Schmerzen angepasst. Patienten, die noch keine Opioide erhalten haben („opioidnaiv“), benötigen deutlich niedrigere Dosen als bereits länger mit diesen Substanzen behandelte.

Wechselwirkungen: Für alle Opioide gilt: Alkohol und zentral dämpfende Medikamente verstärken die Nebenwirkungen, vor allem die Atemdepression. Anticholinerge Wirkstoffe können die Obstipation verschlimmern.

Tramadol: An der analgetischen Wirkung von Tramadol ist auch eine Serotonin-Wiederaufnahmehemmung beteiligt. In Kombination mit Antidepressiva, die ebenfalls als Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wirken (SSRI, → 14.1.2), und mit MAO-Hemmern (→ 14.1.5) kann sich daher ein Serotoninsyndrom (Verwirrtheit, Unruhe, Fieber, Schwitzen, Myoklonien und Durchfall) einstellen. Es bildet sich nach Absetzen der auslösenden Medikamente zurück.

Besonderheiten: Die Fahrtüchtigkeit ist vor allem zu Beginn der Therapie stark beeinträchtigt. Unter stabiler Einstellung, z. B. auf Retardpräparate oder transdermale therapeutische Systeme (vgl. 10.7), muss ein Fahrverbot nicht zwingend ausgesprochen werden.

Alle Opioide der WHO-Stufe III unterliegen der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV). Dagegen können die Opioide der Stufe II bis auf eine Ausnahme mit normalem Rezept verordnet werden: Für Tilidin in flüssiger Form (nicht dagegen als Tabletten) muss ein BtM-Rezept ausgestellt werden.