Injiziert man Medikamente intravenös, wird die Resorptionsphase übersprungen. Der Plasmaspiegel erreicht schnell den Höchstwert und fällt danach wieder (Abb. 2.1.5.1).

Die Ausscheidung vieler Medikamente verläuft ähnlich wie in Abbildung 2.1.5.1. Die grünen horizontalen Pfeile markieren die Stellen, an denen sich der Plasmaspiegel jeweils halbiert hat (von 100 auf 50, von 50 auf 25, von 25 auf 12,5 usw. ). Die dafür benötigte Zeit ist immer gleich. Sie wird als Eliminationshalbwertszeit (t½, ←) bezeichnet.

Je kürzer die Eliminationshalbwertszeit ist, desto schneller wird ein Wirkstoff ausgeschieden. Als Faustregel gilt, dass er nach Ablauf von 4 Halbwertszeiten weitgehend (bis auf etwa 6 %) aus dem Körper verschwunden ist.

Verlauf des Plasmaspiegels nach i.v.-Injektion
Abbildung 2.1.5.1: Verlauf des Plasmaspiegels eines Medikaments nach intravenöser Injektion (Injektionsphase). Die höchste Plasmakonzentration (Cmax) ist nach kurzer Zeit erreicht (roter Pfeil). Danach beginnt die Ausscheidung. Die grünen Pfeile markieren jeweils die Halbierung des Plasmaspiegels.
Aufsättigung und Erreichen des Steady-State
Abbildung 2.1.5.2: Aufsättigung und Erreichen des Steady-State nach wiederholter Einnahme einer Tablette. Ab der vierten Einnahme wird in diesem Beispiel der minimale Wirkspiegel nicht mehr unterschritten, sodass die Wirkung des Medikaments ununterbrochen anhält.

Wirkspiegelverlauf nach wiederholter Einnahme, Steady-State, Kumulation

Die meisten Medikamente werden nicht nur einmal zugeführt (z. B. die gelegentliche Einnahme einer Kopfschmerztablette bei Bedarf), sondern über mehrere Tage (z. B. Antibiotika), Wochen (z. B. Kortisonpräparate) oder als Dauermedikation (z. B. Medikamente gegen hohen Blutdruck, Blutgerinnungshemmer, Lipidsenker) angewendet.

Den typischen schwankenden Verlauf des Plasmaspiegels bei wiederholter Einnahme zeigt Abbildung 2.1.5.2. Werden die Dosierung und der Einnahmeabstand korrekt gewählt, stellt sich nach einiger Zeit ein Gleichgewicht ein. Dies wird als Steady-State (←) bezeichnet.

Wird der Abstand länger bzw. die Dosis niedriger gewählt, fällt der Wirkspiegel vor der nächsten Einnahme so stark ab, dass er unter die minimale Wirkkonzentration sinkt. Ist die Dosis zu hoch bzw. wird das Medikament in zu kurzen Zeitabständen genommen, steigt der Plasmaspiegel immer weiter, bis die höchsten Punkte der grünen Kurve aus Abbildung 2.1.5.2 über dem toxischen (giftigen) Spiegel liegen. Dies wird als Kumulation (←) bezeichnet. Es können dann gefährliche Nebenwirkungen auftreten.

Zur Kumulation kann es z. B. kommen, wenn die Dosis eines Medikaments nicht an die Nierenfunktion angepasst worden ist oder wenn ein weiteres Arzneimittel genommen wird, das die Ausscheidung des ersten behindert (→ 6.1.5).

Bei Medikamenten mit langer Halbwertszeit dauert es oft zu lange, bis der Steady-State wie in Abbildung 2.1.5.2 gezeigt erreicht wird. Damit der Plasmaspiegel rasch und anhaltend über den minimalen Wirkspiegel steigt, ist eine Schnellaufsättigung erforderlich.

Eine Schnellaufsättigung ist möglich, indem man z. B. die Behandlung mit einer intravenösen Infusion beginnt. Nachdem der nötige Plasmaspiegel erreicht ist, setzt der Patient die Behandlung mit Tabletten fort. Manche Medikamente werden von Anfang an als Tabletten eingenommen. In den ersten Tagen liegt die Dosis deutlich höher und wird danach schrittweise auf die Erhaltungsdosis verringert. Ein Beispiel ist Phenprocoumon mit einer Eliminationshalbwertszeit von rund 6 bis 7 Tagen (→ 11.4.1).

Minimaler Wirkspiegel, toxische Schwelle und therapeutische Breite

In Abbildung 2.1.5.2 sind als gepunktete Linien der minimale Wirkspiegel (←) und der toxische Spiegel (←) markiert. Minimaler Wirkspiegel ist dabei die Konzentration eines Arzneistoffs, die erreicht sein muss, damit überhaupt eine Wirkung feststellbar ist. Das kann zum Beispiel die Schwelle sein, ab der ein Antibiotikum Bakterien tötet.

Mit steigender Dosis nimmt die Stärke der Wirkung zu (→ 2.2.2). Ab einem gewissen Spiegel wirken die meisten Arzneistoffe schädlich, das heißt als Gift. Diese Schwelle wird als toxischer (giftiger) Spiegel bezeichnet.

Der Abstand zwischen dem minimalen Wirkspiegel und dem toxischen Spiegel wird als therapeutische Breite (←) bezeichnet. Manche Arzneistoffe haben eine kleine therapeutische Breite und müssen daher sehr sorgfältig dosiert werden (z. B. Paracetamol, → 10.4.3). Andere Wirkstoffe haben dagegen eine so große therapeutische Breite, dass tödliche Vergiftungen sehr selten vorkommen (z. B. Benzodiazepine, → 14.3).